Werbung WBMW Germany
English
 

Site-Info: Editorial > Ride Insights > Venus GP - Loopingcoaster in Japans Space World

Venus GP - Loopingcoaster in Japans Space World

Links: Auf Venus GP jagt eine Steilkurve die andere - Rechts: der kompakte Loopingcoaster im Überblick

Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts eröffneten ungewöhnliche und aufwändige Freizeitparkprojekte im Fahrwasser des Tokyo Disneylands auf den Inseln Japans. Der durchschlagende Erfolg in der Bucht von Tokyo, wo eigens für das Disneyland eine künstliche Insel aufgeschüttet wurde, ließ Investoren weitere potentielle Gelddruckmaschinen erträumen. Dabei wurde eine Vielzahl an Projekten von großen Gesellschaften mit gehörig Aktionismus aus den Boden gestampft.

Zwei Beispiele sind der Parque Espana im Niemandsland der Präfektur Mie und die Space World auf der Insel Kyushu in der suburbanen Zone des Ballungsraumes Fukuoka. Beide Parks wurden ausschließlich einer einzigen Thematik unterworfen und verfolgen das Konzept in Ausgestaltung der Kulissen und Attraktionen konsequent bis heute fort.

Während im Parque Espana verschiedene Motive Spaniens aufgegriffen werden und Kultur mit modernen Fahrattraktionen wie dem B&M Inverted Loopingcoaster Pyrenees oder der grandios kombinierten Mack Achter- und Wildwasserbahn Gran Montserrat vereint wurden - übrigens eine der besten Achterbahnen von Mack -, steht in der Space World das Weltraumthema im Fokus. Heute, rund 15 Jahre nach ihrer Eröffnung, leiden beide Parks unter geringem bis katastrophalem Besucherzuspruch und vermögen nur noch selten mit Neuheiten aufzutrumpfen. Vielmehr erfahren die Standorte sogar einen Rückbau ihrer Attraktionen.

Der langgezogenen Abfahrt (links) folgen Steilkurve, Vertikallooping und eine dichtes Schienenwirrwar

In seiner Eröffnungsdekade der 90er Jahre war die Space World stets am Puls der Zeit und es wurden kontinuierlich neue Großattraktionen in einem "spacigen" Thema präsentiert. Der 20 Hektar große Themenpark wurde von Nippon Steel, dem weltweit zweitgrößten Stahlproduzenten, auf dem Gelände einer ehemaligen Stahlhütte errichtet. Heute wird die Space World von einem japanischen Touristikunternehmen betrieben.

Verwandte Themen

• Dodonpa - Luftdruckgepowerter Katapultcoaster in direkter Nähe zum Fuji• Eejanaika - 4D Coaster in Japan • Kawasemi - Intamin Mega Lite im Norden Tokios• Hollywood Dream - The Ride

Die größte Einzelinvestition in der Geschichte des Themenparks war der von Arrow Dynamics gelieferte "Hypercoaster" Titan V. Die 50 Meter hohe Anlage präsentiert sich als kleinere Variante der zeitgleich von den Amerikanern gebauten Pepsi Max Big One in Blackpool Pleasure Beach oder Desperado in der Wüste Nevadas. Als die Bahn 1994 eröffnet wurde, war sie die höchste Achterbahn Japans. Mit 1530 Metern Streckenlänge und zahlreichen Hügelkombinationen nebst einem Twister-Abschnitt am Umkehrpunkt steht Titan V vor allem visuell auf dem Spitzenplatz der Attraktionen der Space World. Das Out&Back-Layout flankiert die gesamte Ostseite des Areals.

Venus GP aus der Parkperspektive

Die spacigen Fassaden bröckeln...

Im Space Dome wartet neben dem Indoorcoaster "Black Hole Scramble" seit dem Jahre 2006 das Kinderland Lucky Town

Trotz des umfangreichen Attraktionsangebotes blättert heute der Lack in der Space World. Zwar ist der Standort im Vergleich zum Parque Espana in direkter Umgebung eines Ballungsgebietes mit fünf Millionen Einwohnern gelegen und besitzt indirekten Anschluss an eine stark frequentierte Hochgeschwindigkeits-Eisenbahnlinie, doch das Weltraumthema ist im 21. Jahrhundert bei weitem nicht mehr so gefragt wie in der Eröffnungsdekade.

Viele kleinere Attraktionen wie der Intamin Freifallturm, ein Vekoma Waikiki Wave Super Flip oder ein überdimensionaler Huss Skylab-Nachbau mit 30 Metern Durchmesser wurden bereits demontiert. Die 1999 mit großem thematischen Aufwand inszenierte doppelte Wildwasserbahn Twin Mercury vom amerikanischen Unternehmen D.O. Hopkins könnte einen neuen Farbanstrich gut vertragen - die knallbunte, comichafte Space-Planeten-Kulisse ist komplett ausgeblichen. Noch schlimmer ergeht es dem Titan V - die Hauptattraktion ist seit 2007 außer Betrieb. Dafür wurde ein Jahr zuvor Zaturn eröffnet, ein 60 Meter hoher Intamin Katapultcoaster, der bis auf das Arrangement des Stationsbereiches nebst Wartegleis komplett baugleich zu Stealth im englischen Thorpe Park ist.

Aber auch an anderen Stellen wird neu arrangiert: Dabei steht der zu Anfangstagen eindrucksvolle Space Dome, ein dem milden, regennassen Wetter Kyushus trotzendes, eingehaustes Attraktionsangebot, im Fokus. Brachte in den Anfangsjahren ein Simulator in Gestalt einer Weltraumfähre die Gäste in die weit entlegene Stadt Cosmopia mit Indoorachterbahn, Darkride und weiteren Simulatoren, ist der Dome heute problemlos zu Fuß zu betreten. Die 20 Jahre alte Indoorachterbahn Black Hole Scramble vermag noch heute zu gefallen, wobei die Gondelbahn Lunar Express scheinbar zugunsten einer Eislaufanlage mit dem wohlklingenden Namen Freezing Port im Kellergeschoss entfernt wurde. Im Jahre 2006 wurde im Zuge der Innenrenovierung die Lucky Town errichtet, ein Kinderland im spacigen Comicstil.

Bilderserie der Space World

Loopingcoaster in Schwarzkopf-Manier

Rechts: Der auf einer Fachwerkstruktur ruhende Kettenlift bringt den Zug auf der Rückseite der Anlage auf die Starthöhe

Das Attraktionsangebot in der Space World umfasst eine wohldosierte Mischung aus Wasserfahrgeschäften, Shows und Schienenbahnen. Alleine fünf in Betrieb befindliche Achterbahnen buhlen um das Publikum, darunter ist Venus GP, eine vom Münchner Unternehmen Maurer Söhne gelieferte Anlage, die einzige mit einer Überkopffigur in Gestalt eines Vertikalloopings. Die 1040 Meter lange und knapp 40 Meter hohe Loopingbahn steht am Rande des Parks und empfängt mit ihrer ausgefachten Liftstruktur die Besucher, welche vornehmlich mit der Eisenbahn zur Space World anreisen. Die Schienenattraktion besitzt eine äußerst kompakte Grundfläche in Form des Buchstaben L und bietet herausragende wie auch hochdynamische Fahreigenschaften bis zur Schlussbremse. Die Stahlstruktur erinnert dabei an die Hochbahnklassiker aus dem süddeutschen Hause Schwarzkopf, welches bis in die 80er Jahre die Achterbahnwelt mit Loopings & Co. revolutionierte.

Die Realisierung der Venus, welche seit dem Jahre 2007 nach einem neuen, giftgrünen Anstrich der Schiene mit dem zusätzlichen Kürzel GP firmiert, hat insgesamt fünf Jahre in Anspruch genommen. Ursprünglich erhielt die Firma BHS, die Bayerische Berg-, Hütten- und Salzwerke AG, im Frühjahr 1991 eine erste Anfrage aus Japan. Das süddeutsche Unternehmen hatte Mitte der 80er Jahre Teile der insolventen Firma Schwarzkopf aus dem bayerischen Münsterhausen übernommen und mehrere Großachterbahnen ausgeliefert, darunter heutige Klassiker wie die Jetline in Grona Lund in Stockholm. Anton Schwarzkopf selbst war als externer Berater für BHS tätig, das Ingenieurbüro Stengel aus München, welches seit den 60er Jahren mit Schwarzkopf groß geworden war, lieferte für BHS Statiken und Layouts.

Nach First Drop und Vertikallooping folgt eine Steilkurve der anderen

Trotz weitreichender Vorarbeiten durch BHS, unter anderem wurde ein erstes Layout vom Ingenieurbüro Stengel gezeichnet, übte sich der potentielle Kunde in asiatischer Gelassenheit. Ende 1993 wurde der Auftrag erteilt. Während dieser Entscheidungsphase wurde das Achterbahngeschäft der BHS vom Stahlbauspezialisten Maurer Söhne übernommen, die unweit der BMW-Werke in München seit über 100 Jahren Brücken entwickeln oder Stahldächer planen und ausführen. Die Achterbahn wurde komplett in den Werken München und Peißenberg, einem ehemaligen BHS-Standort, gefertigt und nach Verschiffung der Einzelteile innerhalb von vier Monaten auf den Fundamenten in der Space World montiert. Im Frühjahr 1996 wurde Venus GP schließlich dem Publikum übergeben.

Aufbauend auf einem von Anton Schwarzkopf erdachten Fahrwerksystem gleiten die gummigefederten Züge präzise über die als Dreigurtträger ausgeführte Fahrstrecke. Trotz hoher Beschleunigungsspitzen und ständiger Lastwechsel kommt der Fahrkomfort nicht zu kurz. Die beiden Züge bestehen aus zwölf Einzelwagen, welche jeweils zwei Sitzplätze aufweisen. Die Fahrgäste sind durch Bauchbügel und vertikal in der Höhe einstellbare Schulterbügel gesichert. Die Wagen besitzen Achsschenkellenkungen, die jeden Wagen auf zwei Bogies zur Schiene abstützen. Die Fahrgastträger sind nach dem Tenderprinzip zum Hinterwagen gekoppelt. Einzig und allein der letzte Wagen wird durch eine um die Längsachse rotierbare Achse gestützt, welche mit einem weiteren Bogiepaar bestückt ist.

Bilderserie der Venus GP

3, 2, 1 - Start

Fakten zu Venus GP

Klassischer Loopingcoaster à la Schwarzkopf mit ausschweifendem Auftakt und engen Spiralkurven in Twister-Manier

Schienenhöhe

40 Meter

Schienenlänge

1040 Meter

Max. Geschwindigkeit

85 km/h

Max. Längsneigung

55°

Max. Beschleunigung

+5 g

Netto-Fahrzeit

90 Sekunden

Fahrzeuge

2 Züge mit 12 Wagen; 2 Plätze pro Wagen

Hersteller

Maurer Söhne, München, Deutschland

Betreiber

Space World, Japan

Eröffnung

9. März 2007

• Link zur Webseite der Space World

Nach Verlassen der offenen Station passiert der wendige Zug eine scharfe Linkskurve, welche direkt auf den 30 Grad steilen Kettenlift führt. Dieser ist parallel zur Parkgrenze und der Bahntrasse platziert. Ein schallisolierter, an der Liftkuppe installierter Antriebsmotor befördert den Wagenverbund auf eine Ausgangshöhe von knapp 40 Metern, wo sich eine enge Linkskurve nebst 30 Meter hohem ersten Fall anschließt. Rasant durchfährt der Zug das tiefe Tal und schwingt in direktem Anschluss eine 55° quergeneigte Steilkurve hinauf. Der Umkehrpunkt in 25 Metern Höhe wird zügig passiert, wobei die Wagen wie ein Ping-Pong-Ball die nachfolgende Abfahrt herunterkatapultiert werden, um im folgenden, 22 Meter hohen Loopingrund auf den Kopf gestellt zu werden.

Die Inversionsfigur wurde in einer Sichtlinie vor dem Modell des Space Shuttle platziert und ist eher kreisförmig als ausgeprägt klothoidenförmig ausgeführt. Diese geometrische Ausgestaltung des Vertikalloopings führt zu einem intensiven Fahrvergnügen mit spürbarer Vertikalbeschleunigung und gefühlter Beinahe-Schwerelosigkeit am oberen Scheitelpunkt. Dort werden 0.5g erreicht, im Looping-Tal stolze 5g bei einer Spitzengeschwindigkeit von 85 Stundenkilometern.

Links: Die mechanische Schlussbremse beendet die beschleunigungsintensive Fahrt durch die Steilkurven und Helix-Kombinationen

Die erste Abfahrt nebst Steilkurve und Looping stehen in einem weitläufigen, U-förmigen Arrangement um das Space Shuttle. Nach Passieren dieses Streckenabschnittes fährt der Zug in einen sehr kompakt gestalteten und über mehrere Ebenen führenden Schienenparcours, der zu zwei Seiten von dem Lifthügel und der Station flankiert wird. Dort wird der Zug zuerst in drei hintereinander folgenden, aufgeständerten Steilkurven mit bis zu 100° Querneigung gegen die Wand gestellt. Die Kurvenzüge alternieren mit Taldurchfahrten, wobei diese bis auf Bodenniveau oder oberhalb der Schlussbremse und Station in die dritte Kehrtwende führen, welche den Zug in eine überdimensionale Achterschleife entlässt.

Diese navigiert den Wagenverbund über bis zu drei Ebenen und schließt mit einer anderthalbfachen, aufwärts führenden Helix ab. Große und spürbare Auf- und Abfahrten wie zum Auftakt und Mittelteil der Fahrt lassen sich nicht mehr zu finden. Vielmehr bieten die Achterschleifen die Gelegenheit für weitere, lang anhaltende Vertikalbeschleunigungen mit bis zu 3g, die stellenweise das Blut aus den Köpfen der Mitfahrer drücken und dem ein oder anderen Fahrgast langsam schwarz vor Augen werden lassen.

Der ersten Helix folgt ein weiterer flotter Umschwung in die finale Abschlussfigur in Gestalt einer abwärts führenden Spirale, welche den Zug nochmals Geschwindigkeit aufnehmen lässt, bis er mit hohem Resttempo in die Schlussbremse einfährt. Somit folgt auch Vebus GP einem Trend der damaligen Anlagen wie Jetline oder Knightmare, mit einem weit geschwungenen, aufgeständerten Teil zu beginnen, um dann in einen hochdynamischen Twister-Teil zu münden. In der Space World ist der Übergang jedoch nicht ganz so abrupt, da die drei Steilkurven nach dem Looping mit moderateren Beschleunigungswechseln aufwarten. Der Vorteil dabei ist, dass diese Anlagen ihr Pulver nicht auf den ersten Metern verschießen, sondern von Anfang bis Ende spannend bleiben.

Das beinahe stetig intensiver werdende Fahrvergnügen ist nach knapp 90 Sekunden Gravitationsfahrt beendet und erinnert nicht alleine wegen des Rollmaterials an klassische Schwarzkopf-Kreationen. Anton Schwarzkopf war nach dem Konkurs seiner Firma an den Vorgängern von Venus GP, der Bavarian Mountain Railroad im benachbarten japanischen Kobe (seit 2007 als Knightmare im Camelot Theme Park zu finden) und der Lisebergbahn im schwedischen Göteborg beteiligt. Die gut gedämpften Fahrwerke vermitteln auf der präzise gefertigten Fahrstrecke ein komfortables, aber dennoch ausgeprägtes, dynamisches Thrillerlebnis. Wie die beiden Vorgänger ist auch Venus GP ein zeitloser Klassiker mit Charakter, der die Fahrgäste wohl auch dann noch begeistern wird, wenn über aktuelle, hochtechnisierte one trick ponies schon längst niemand mehr spricht.


Text: Coastersandmore - jp
Bilder: Coastersandmore

Venus GP von der Lifthügelseite aus betrachtet

Editorial  |   Ride Insights  |   Visit the Parks  |   General Topics  |   Coaster Basics  |   Shop  |   Links  |   About
Über das Web-Magazin: Impressum, Nutzungsbedingungen und weitere Informationen

Copyrights 2000-2017 - Kontakt zu den Autoren: mail@coastersandmore.de