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Shuttle Loop von Schwarzkopf

Shuttle Loop im japanischen Nagshima Spa Land - im Hintergrund die beeindruckende Steel Dragon 2000 Achterbahn

Stille, angespannt halten sich die Fahrgäste am Bügel fest, dann die Beschleunigung aus dem Stand heraus: In weniger als vier Sekunden ist die Spitzengeschwindigkeit erreicht, es geht durch einen Vertikallooping und schliesslich eine steile Auffahrt hinauf. Am Totpunkt das kurze Gefühl von Schwerelosigkeit, dann beschleunigt der Zug in rückwärtiger Richtung - Ein typischer Shuttle Loop. Achterbahnen, die eine kurze, nicht geschlossene Streckenführung aufweisen, gibt es nicht erst seit der Ära der Vekoma Boomerangs.

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Der Shuttle Loop der legendären deutschen Achterbahnschmiede Schwarzkopf wurde erstmals gegen Ende der 70er Jahre ausgeliefert. Für damalige Verhältnisse einzigartig war der Katapultstart aus dem Stand heraus. Innerhalb von knapp vier Sekunden beschleunigt der Zug auf 85 Stundenkilometer. Die ersten Shuttle Loops nutzten dazu ein Kontergewicht, welches innerhalb einer Stahlröhre aus einer Höhe von rund 20 Metern fallen gelassen wurde und über einen Seiltrieb den tonnenschweren Zug auf der horizontalen Strecke beschleunigte. Eine Anlage dieser ersten Generation war bis Anfang der 90er Jahre im englischen Alton Towers zu finden.

Die Weiterentwicklung setzt auf einen Schwungradantrieb und wurde weltweit über ein Dutzend Mal installiert: Im kalifornischen Knott's Berry Farm unweit des weltberühmten Disneylands beschleunigt der Shuttle Loop noch heute den 28 sitzigen Zug in den Vertikallooping - auch im japanischen Nagashima Spa Land verrichtet er noch seinen Dienst. In Europa war das letzte Exemplar im Walibi Belgium bei Brüssel bis 2008 in Betrieb. Fünf Jahre später wurde die Anlage mit einem LIM-Antrieb, neuem Zug und kompletter Einhausung wiedereröffnet. Den Charme der früheren Turbine wird leider nicht mehr geboten.

Das Konzept des Shuttle Loops in Skizzenform

Beschleunigung aus dem Stand heraus

Der Shuttle Loop Zug beschleunigt aus der Station direkt hinein in den Vertikallooping

Für den katapultartiggen Powerstart erfand Schwarzkopf eine simple aber hocheffiziente Mechanik: Der Zug wird mittels eines Seiltriebs, welcher über zwei Seilscheiben mit einem Durchmesser von rund zwei Metern geführt wird, gleichmäßig beschleunigt. Am Zugseil befindet sich ein fest arretierter Mitnehmer, der sogenannte Pusher, der während der Beschleunigungsphase mit dem Zug in Eingriff steht. Vor dem Start greift dieser formschlüssig in eine am letzten Wagen angebrachte Vorrichtung ein, die über einen Elektromagneten vor dem Kupplungsvorgang heruntergezogen wird. Am Ende löst sich der Zug austomatisch vom Mitnehmer, da dieser über die eine Seilscheibe umgelenkt wird. Dabei klappt die Vorrichtung am Zug durch ein Gegengewicht automatisch hoch, so dass der Zug bei der nächsten Stationsdurchfahrt nicht mit dem auf der Strecke befindlichen Mitnehmer zusammenstossen kann.

Um die für die Beschleunigung kurzzeitig erforderliche hohe Antriebsleistung nicht direkt mit einem Elektromotor aufbringen zu müssen, verwendet Schwarzkopf das Prinzip der Energiespeicherung mittels einer rotierenden Masse. Das mehrere Tonnen schwere Schwungrad wird im Zeitintervall des Be- und Entladens über einen Keilriemen mittels eines Elektromotors auf die für den Startvorgang benötigte Drehzahl gebracht. Die dabei gespeicherte kinetische Energie wird anschliessend über eine Reibkupplung auf die Seilscheibe geschaltet.

Mit 0.7g wird der Zug aus der Station katapultiert

Nach dem Beschleunigungsvorgang wird die Reibkupplung gelöst und der E-Motor kann seine Arbeit wieder verrichten. Dies geschieht in einer Stunde bis zu 20 mal. Die im Schwungrad gespeicherte Energie beschleunigt den Zug mit durchschnittlich 0,7g auf seine Höchstgeschwindigkeit von 85 Stundenkilometer. Dabei wird eine langgezogene Startstrecke von knapp 50 Metern passiert. Anschliessend schiesst der Zug durch einen typischen Schwarzkopf-Looping in Kastenbauweise und erklimmt die erste 42 Meter hohe Rampe. Nach Erreichen des Totpunktes stürzt der Zug die 70° steile Abfahrt rückwärts hinunter.

Nun wird der Vertikallooping rückwärts durchfahren. Bei Durchfahrt des Beschleunigungsabschnittes erfolgt eine leichte Abbremsung des Zuges; dies geschieht mittels der bei älteren Achterbahnen bewährten luftdruckbetriebenen Bremsen. Passiert der Zug die Bremselemente, werden deren jeweils paarweise gegenüberliegenden Reibbeläge auf die seitlich des Wagen befestigten Schwerter gedrückt. Der aufgebrachte Bremsdruck erzeugt dabei eine Reibwirkung zwischen Schwert und Reibbelag, die dem Zug einen gewissen Anteil seiner kinetischen Bewegungsenergie raubt. Nach Verlassen der Station - immer noch in Rückwärtsfahrt - wird die zweite Rampe mit einer Höhe von 32 Metern erklommen. Bei der danach folgenden Stationsdurchfahrt wird der Zug komplett abgebremst. Für die insgesamt zweimal absolvierten 240 Streckenmeter benötigt der siebengliedrige Zug unter 40 Sekunden.

Einblick in die Antriebseinheit des Shuttle Loops von links nach rechts: Keilriemenscheibe, Schwungrad, Planetengetriebe und Rutschkupplung mit antreibender Seilscheibe

Die Technik des Shuttle Loops

Die Rutschkupplung in Lebensgrösse - neben der mittigen Seilscheibe sind die beiden Lamellengehäuse mit Lüftungsschlitzen und die äusseren Lagerböcke zu erkennen

Was ist aber in der Zwischenzeit mit dem Mitnehmer geschehen? Nachdem die Reibkupplung schlagartig gelöst wurde, werden die sich noch drehenden Seilschreiben über ein eigenes Bremssystem abgebremst. Der Zug fährt zu diesem Zeitpunkt aus eigener Kraft in den Vertikallooping. Mittels eines eigenen Motors in der Spannstation wird der Pusher zum Ausganspunkt der Station transportiert. Vor dem nächsten Start erfolgt die exakte Positionierung des Mitnehmers am letzten Wagen.

Die obere Zeichnung zeigt die Antriebsstation des Shuttle Loop. Auf der linken Seite befindet sich das Schwungrad, welches vom Elektromotor über eine Keilriemenscheibe im Übersetzungsverhältniss 2,77 : 1 auf Betriebszahl gebracht wird. Im Planetengetriebe wird die Drehzahl im Verhältnis 4:1 reduziert, um gleichzeitig ein höheres Antriebsmoment bereitzustellen. Zum Ausgleich von Montage- und Fluchtungsfehlern befindet sich vor und hinter dem Getriebe eine elastische Kupplung. Die beiden pneumatisch geschalteten Reibkupplungen verbinden beim Start die Antriebswelle mit der Seilscheibe, um das Drehmoment auf den Seiltrieb zu übertragen. Die überdimensionale, fast drei Meter Durchmesser grosse Kupplung wurde für Schwarzkopf von dem in Arnsberg ansässigen Maschinenbauunternehmen Desch gefertigt.

Die grösste Herausforderung beim Kupplungsvorgang ist die enorme Hitzeentwicklung: Beim Startvorgang werden die ringförmigen Lamellenpakete im Kuppplungsgehäuse per Luftdruck schlagartig aufeinandergepresst, wobei die Kupplung nicht sofort greift. Während des Durchschleifens entsteht durch die relative Bewegung der Lamellen zueinander Reibungswärme. Ohne Kühlung würden die Reiblamellen binnen weniger Betriebszyklen verbrennen. Eine aktive Kühlung duch Luftzirkulation verhindert dies. Bei Rotation der Seilscheibe wird die Luft ähnlich wie bei einem Ventilator durch die Kupplungseinheit gesaugt. Der zirkulierende Luftstrom kühlt die gesamte Kupplungseinheit.

Der Pusher greift formschlüssig am letzten Wagen des Zuges ein

Die Mechanik der überdimensionalen Kupplung ist Segen und Fluch zugleich: Auf der einen Seite ermöglicht sie eine kostengünstige Übertragung der im Schwungrad gespeicherten Energie auf den Seilzug, auf der anderen Seite ist der Verschleiss trotz Luftkühlung derart hoch, dass die Parks die Shuttle Loops unter sehr geringer Kapazität betreiben oder bereits ausgemustert haben. Der Turbine im Walibi Belgium blieb dieses Schicksal erspart, da sie von der süddeutschen Firma Gerstlauer mit einem deutlich energieineffizienteren LIM-Antrieb 2013 umgebaut wurde.

Lineare Induktionsmotoren verdängen seit einigen Jahren mechanische Antriebslösungen bei Achterbahnen im unteren und mittleren Geschwidnigkeitssegment von bis zu 100 km/h. Sie sind nicht nur wirtschaftlicher im Betrieb sondern auch nahezu wartungsfrei. Bei Geschwindigkeiten über 100 Stundenkilometer bietet der Hydraulikantrieb das stärkste Antriebskonzept. Erstmals wurde das System beim Xcelerator im amerikanischen Freizeitpark Knott's Berry Farm eingesetzt, um 135 km/h Spitze zu erreichen: Statt eines Elektromotors mit gekoppelter Schwungscheibe wird das Antriebsmoment über leistungstarke Hydraulikmotoren auf den Seiltrieb übertragen. Die Energie wird wie beim Shuttle Loop zwischen den Beschleunigungsintervallen gespeichert. Statt ein Schwungrad in Rotation zu versetzen wird Stickstoff in einem Speicher auf bis zu 300bar komprimiert. Die unter Hochdruck stehende Stickstoffsäule drückt nach Öffnen der Ventile schlagartig Öl durch die Motoren. Die weltweit schnellste Achterbahn, Formula Rossa in der Ferrari World Abu Dhabi, erreicht mit dieser Antriebstechnik eine Geschwindigkeit von 240 Stundenkilometer.

Text: Coastersandmore
Bilder: Archiv, Coastersandmore

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