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Dichtes Gedränge herrscht in der Fußgängerzone der dänischen Hauptstadt Kopenhagen. Laut Stadtplan sollen es nur noch 200 Meter sein, bis sich inmitten des Häusermeers ein über die Stadt- und Landesgrenze bekanntes Wahrzeichen mitsamt seiner neuen Loopingbahn Daemonen erhebt. Eingepfercht zwischen Hauptverkehrsstraßen, Rathaus und Bahnhof befindet sich mit den Tivoli Gardens der Inbegriff des klassischen Vergnügungsparks. Auf einer Fläche von 8,2 Hektar - etwa zwölf Fußballplätzen - ist dieser Park ein Wegbereiter der "modernen" Themenwelten von Disney & Co, verzichtet jedoch auf deren Auswüchse in Form einer kitschigen und kunterbunten Kulissenwelt.

Die Tivoli Gardens sind ein gewachsener Ort des gediegenen Vergnügens: Über 40 Restaurants, zahlreiche klassische Showangebote, Fahrgeschäfte und eine reizvolle Parklandschaft laden ein zum Dinieren, Verweilen und Vergnügen. Die Bauten erinnern an die königlichen Paläste des Orients oder entführen in die Zauberwelten der chinesischen Kultur.

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Nemesis und Nemesis Inferno - B&M Inverted Coaster

Air - B&Ms erster Flying Coaster

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Der Tivoli in Kopenhagen ist der älteste Themenpark der Welt, seine Historie reicht zurück bis in das Jahr 1843. Damals wie heute gehören die Fahrgeschäfte zum Gesamtbild des Parks. Mit viel Liebe zum Detail und unter der Prämisse, auf kleinem Raum großes Vergnügen zu bereiten, werden die zahlreichen Attraktionen gestaltet und über ihre Betriebsjahre optimiert. So finden die Besucher in der Rutschebanen nicht nur eine der ältesten Achterbahnen der Welt (Eröffnung 1914), sondern auch ein in sich völlig abgeschlossenes Gesamtkunstwerk - der Komplex beherbergt gleichzeitig einen Darkride und ein Funhouse. Platz ist Mangelware, und obwohl die Fahrgeschäfte nur ein Drittel der Gesamtfläche des Tivolis in Anspruch nehmen, sind sie ebenso zahl- wie auch facettenreich vertreten. Neben der Scenic Railway Rutschebanen finden sich Darkrides, Rund- und Hochfahrgeschäfte für alle Altersklassen und seit 2004 als absolutes Highlight der Floorless Coaster Daemonen aus dem Schweizer Hause Bolliger & Mabillard.

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Panorama des chinesischen Themenbereiches

Das 600 Tonnen schwere Bauwerk ist der neue Anziehungspunkt des chinesischen Themenbereichs und fügt sich derart spielend in das Gesamtbild ein, als ob der Stahlgigant dort schon immer seinen Platz innegehabt hätte. Dabei grenzt es an ein Wunder, dass Daemonen überhaupt in die Tivoli Gardens eingegliedert werden konnte. Die Ausmaße von 28 Metern Höhe, 564 Metern Streckenlänge und drei Inversionen sind für einen Park dieser Größe und Struktur eine fast nicht zu bewältigende Aufgabe. Neben der geringen Stellfläche wollte vor allem das optische Erscheinungsbild bedacht werden, schließlich sollte Daemonen nicht als Fremdkörper erscheinen.

Diese Forderungen führten zu einem aufwändigen Gestaltungsprozess, der durch eine gewissenhafte Durchführung eine äußerst stimmige Gesamtkomposition hervorbrachte, die sich deutlich von anderen Bahnen dieser Gattung abhebt: Während auf dem See die kleinen Motorboote ihre Kreise ziehen, rechter Hand am chinesischen Turm gespeist wird und in der linken Bildhälfte eine Gondel im Minutentakt einen 56 Meter hohen Turm hinabstürzt, windet sich im Hintergrund des Geschehens ein goldener Zug mit seinen 24 Fahrgästen durch ein Arrangement von Fahrfiguren, die enger und verwinkelter auf keiner anderen Bahn dieser Bauart zu finden sind.

Für die Schweizer Ingenieure Walter Bolliger und Claude Mabillard bedeutete das äußerst kompakte und dichte Layout die Herausforderung, optimalen Fahrspaß ohne Einschränkungen zu bieten. Trotz seiner im internationalen Vergleich geringen Ausmaße bietet der Zwerg unter den Loopingbahnen aus dem Hause B&M ein beeindruckendes Fahrerlebnis. Als absolutes Highlight wurden drei Inversionsfiguren auf einer Fläche von weniger als 30x10 Metern integriert. Eine kürzere Abfolge findet sich auf keiner Bahn dieses Herstellers. So ist es nicht verwunderlich, dass die drei Fahrfiguren - der Vertikallooping, der Immelmann Loop und die Zero-G-Roll- den Anforderungen angepasst und neu berechnet wurden. Ihr Fahrerlebnis dauert gerade einmal 13 Sekunden - Zeit zum Luftholen ist nicht vorhanden.

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Links: Eingangsportal - Rechts: Ausfahrt Vertikallooping

Daemonen hat eine lange Geschichte: Schon seit einigen Jahren suchte das Management des Tivoli nach einer weiteren Thrillattraktion. Der Ende der 90er Jahre eröffnete Turbo Drop Det gyldne Tarn erfreut sich bis heute derart großer Beliebtheit, dass ein weiteres, intensives und zugleich kurzweiliges Erlebnis aufgeboten werden sollte. Eine Kompromisslösung wäre beispielsweise der anvisierte Impulse Coaster von Intamin gewesen, der bewusst durch seine schmale räumliche Ausdehnung an der Parkgrenze des chinesischen Themenbereiches hätte errichtet werden können. Hier wäre ein Inverted Coaster Zug zum Einsatz gekommen, der unter der Schiene hängend von einem elektromagnetischem Katapultantrieb in einem U-förmigen Schienenstrang hin und her gependelt hätte. Ein Äquivalent eines vollwertigen Achterbahnerlebnisses wäre damit aber nicht geschaffen worden.

Folglich ging das Management in die Offensive und bat die renommiertesten Achterbahnhersteller um einen Entwurf eines geschlossenen Layouts: Neben B&M sind unter anderem Vekoma Rides Manufacturing, Intamin, Maurer Söhne und Gerstlauer aufzuzählen. Bewusst setzte man den Kreativabteilungen der Hersteller nur wenige Randvorgaben, jedoch war sich das Tivoli Management über die Tatsache im Klaren, dass es keine leichte Aufgabe werden würde. Insbesondere die Einhaltung des geringen Platzangebotes und der Höhenbeschränkung waren unveränderliche wie limitierende Parameter.

5 Fragen und 5 Antworten an Andreas Veilstrup Andersen, Vize Präsident von Tivoli Gardens

Coastersandmore:
B&M Layouts strotzen vor Größe - alles an diesen Bahnen ist übergroß dimensioniert: Das Aussehen, die Stahlschiene, die Züge - Warum haben Sie sich trotz der begrenzten Fläche für eine derartige Anlage entschieden?

Andreas Veilstrup Andersen:
Wir wollten Qualität und eine über die Hauptsaison voll funktionierende Achterbahn. Daher viel auch die Entscheidung gegen einen Prototypen. Zudem suchten wir nach einem wahren Eyecatcher - Mit Daemonen haben wir alles in einem.

Coastersandmore:
Beschreiben Sie doch einmal Ihr erstes Fahrerlebnis - hat Daemonen die Erwartungen erfüllt?

Andreas Veilstrup Andersen:
Ich würde nicht sagen, dass ich enttäuscht war, aber die Tatsache, dass ich zwei Jahre auf die Fertigstellung warten musste und die Fahrt tausend Mal im Geiste durchlebt habe, gaben dem Erlebnis einen surrealen Touch. Am Ende spürte ich nur noch Erleichterung...

Coastersandmore:
Was war die größte Hürde bei der Integration von Daemonen?

Andreas Veilstrup Andersen:
Die Strecke auf dem kleinen uns zur Verfügung stehenden Gelände unterzubringen. Es war eine wahnsinnig große Herausforderung. Ein weiterer Faktor war die Zeit: Binnen sechs Monaten musste die Achterbahn mitsamt den Geschäften entstehen. Dieser enge Zeitplan ergab sich daraus, dass die Vorgänger Achterbahn Slangen bis Ende der Hauptsaison betriebsbereit sein musste.

Coastersandmore:
Bestehen Pläne, die Loopingbahn dem Tivoli Stil entsprechend zu illuminieren? Wird die Thematisierung erweitert?

Andreas Veilstrup Andersen:
Schon zu unserer Weihnachtseröffnung 2004 wird Daemonen von beiden Seiten - vom Park und der Strasse - beleuchtet. Es sieht fantastisch aus. Für das nächste Jahr planen wir die Thematisierung zu erweitern.

Coastersandmore:
Daemonen ist ein richtig großer Thrill Ride, welche im Tivoli rar sind - Können wir in Zukunft weitere Attraktionen dieses Kalibers erwarten?

Andreas Veilstrup Andersen:
Aber sicher - wir planen bereits...

Bild: Tivoli

Die erste Anforderung ergab sich aus der Stellfläche der Zierer Stahlachterbahn Slangen, schließlich sollte Daemonen den Platz der 1989 eröffneten Familienbahn einnehmen. Dem Management bleibt in Sachen neue (große) Attraktionen nichts anderes übrig, als eine bestehende zu schließen. Der Standort von Slangen bot mit 35 x 54 Metern die geeignetste Freifläche in den gesamten Tivoli Gardens.

Die Studien im Ausschreibungsverfahren waren zahlreich und in ihren Charakteristika grundlegend verschieden: Maurer Söhne lieferte ein spektakuläres Layout auf Basis des X-Cars Konzeptes (inklusive Vertikallift und Inversionen, Gerstlauer schlug eine kompakte Version ihres Euro Fighters vor, welche schließlich mit Typhoon im Bobbejaanland verwirklicht wurde, und Intamin brachte auf der kleinen Fläche ein innovatives und äußerst spektakuläres Layout ihres Rocket Coaster Systems mit nicht weniger als sieben Überschlägen unter, Inverted Top Hat, Vertikallooping, Corkscrew, Boomerang und Inline Twists inbegriffen.

Zero-G-Roll

Andreas Veilstrup Andersen, Vizepräsident des Tivoli, erinnert sich: "Der Intamin Hydraulic Launch Coaster war ein klasse Konzept. 700 Meter Strecke mitsamt ihren sieben Inversionen wurden in beeindruckender Weise auf der kleinen Flaeche arrangiert. Jedoch wäre der Ride eine Nummer zu actionlastig für unsere Gäste geworden. Beim Gerstlauer Vertical Drop Coaster kam uns ein nahe gelegener Mitbewerber zuvor, so dass die Entscheidung zwischen dem X-Car oder dem B&M Konzept fallen sollte."

Letztendlich fiel die Wahl auf den B&M Coaster. Das Tivoli Management schien magisch angezogen von der Vorstellung, eine Bolliger & Mabillard Bahn dieser Klasse anbieten zu können. Dabei wurde zunächst sogar noch der Idee eines Inverted Coasters nachgegangen. Die zusätzlichen Stützen einer solchen Hängeachterbahn waren aber einfach nicht realisierbar, daher entschied man sich schließlich für die "verschärfte" Version eines Sit-Down Coasters: Beim Floorless Coaster gleiten die Fahrgäste ohne Boden über die Schiene.

Damit das von B&M anvisierte Layout überhaupt realisiert werden konnte, wurden den Schweizern sogar einige Quadratmeter Fläche mehr zugesprochen. Neben der bekannten Eleganz und ruhigen Fahrweise sprach zudem eine außerordentliche Betriebsperformance für die Anlage des Ingenieurbüros aus dem Schweizer Ort Monthey. Mit einem Budget von zehn Millionen Euro wurde das Projekt angegangen.

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Bilder: Jakob Wahl

Eingang, Lifthill, First Drop

In einem ersten Schritt stand zum Ende der Sommersaison 2003 die Demontage von Slangen an. Eine Budenstrasse wurde eingerissen, eine Spielfläche entfernt und ein kleiner Ride übergangsweise versetzt. Nach der Installation von Daemonen konnte die Errichtung neuer Verkaufsstände in Angriff genommen werden. Außerdem wurde der kleine drehende Heege Aussichtsturm wieder unter dem Schienenlabyrinth aufgebaut.

Der rote Schienenstrang befindet sich größtenteils über den Köpfen der Parkbesucher, tangiert und schneidet den chinesischen Themenbereich und absolviert seine Inversionsfiguren auf der Fläche der früheren Zierer Achterbahn. Der Lifthügel mitsamt der Station wurde parallel zur Parkgrenze arrangiert. Dabei griffen die Macher tief in die Trickkiste, da Brems-, Stations- und Wartungsbereich in sieben Metern Höhe platziert wurden und der darunter liegende Freiraum von der kanalisierten Budenstrasse mit Spielständen, Shops und Verkaufstheken ausgefüllt werden kann.

Offizielle Internetseite der Tivoli Gardens in Kopenhagen

Praktisch jeder freie Quadratmeter wurde ausgereizt: So steht Daemonen derart nahe an der Parkgrenze, dass der Besucher beim Verlassen der Station direkt auf den unter sich liegenden Gehweg der angrenzenden Hauptverkehrsstraße blickt. Ungewöhnlich ist auch der Lifthügel: Dieser ist besonders steil, um den Platz zu minimieren. Seinen Ausgang findet er oberhalb des Lieferanteneingangs. Die Mitfahrer sind jedoch von der Skyline Kopenhagens derart geblendet, dass der Blick hinter die Kulissen nicht wahrgenommen wird.

Daemonen aus einer anderen Perspektive

Das Fahrerlebnis ist beeindruckend, wenn auch durch die geringe Länge der Bahn mit 29 Sekunden Nettofahrzeit (Ausgang Lifthügel bis zur Einfahrt in die Bremse) äußerst kurz. Doch gerade die beengten Flächenverhältnisse führten zu einer Anlage, die derart schnelle Richtungswechsel und extreme Fahrfiguren beinhaltet, wie sie auf großen Anlagen von Bolliger & Mabillard nicht zu finden sind.

Nach Überfahren der Kuppe des Lifthügels lenkt ein scharfer Linksschwung den Zug in eine Achterschleife mit leichtem, konstantem Gefälle. Der Zug beschleunigt stetig und dem Fahrgast bietet sich für kurze Zeit ein entspannter Blick auf den Park und die Stadt. Ein erster kurzer Spannungsmoment ergibt sich, wenn die Kurvenkrümmung wechselt und die Fahrgäste um die imaginäre Herzlinie gedreht werden.

In einer aufwärts führenden Helix rast der Zug dem kompakten Loopingteil entgegen. Plötzlich scheint die Schiene nach rechts wegzubrechen und das Gefährt beschleunigt abermals. 20 Meter fällt der First Drop hinab und garantiert auf allen Plätzen leichte Airtime. Die vorher aufgebaute Geschwindigkeit ist dem nur förderlich: Die Parabelkurve der Abfahrt ist derart ausgelegt, dass die Fahrgäste eine sanfte aber länger anhaltende Airtime genießen können, bis der Sturz im Tal und damit der Einfahrt in den Vertikallooping endet.

Mit ungeheurer Wucht fährt der Zug in den Looping, verzögert, beschleunigt und streift den Boden in einer Senke, um direkt in die gekrümmte Auffahrt des Immelmann Loop emporzuschießen. An dessen Totpunkt verdreht sich die Schiene um die Längsachse und befördert die Fahrgäste mit einer seitlichen Drehung aus der Überkopfposition, um gleichzeitig wieder gen Boden gerissen zu werden. Keine zehn Sekunden nach der Einfahrt in den Vertikallooping erklimmt der goldene Zug die Auffahrt zur Zero-G-Roll. Diese ist derart eng gestaltet, dass man kaum glauben kann, mit welch stoischer Ruhe der Zug bei diesen Kurvenradien und engen Drehwinkeln förmlich durch die Inversion gleitet - Auffahrt, 360° Drehung um die Längsachse, Abfahrt.

Links: Luftaufnahme - Rechts: Immelmann Loop

Bild links: Jakob Wahl

Der Ausgang der Zero-G-Roll führt die 24 Fahrgäste unter die Einfahrt in den First Drop, wo sie direkt vom Blitzlichtgewitter der On-Ride Kamera empfangen werden. Vier Meter oberhalb der Gehwege neigt sich der Zug in eine Linkskurve, dreht eine enge Schleife und drückt sich mit etwa 70 Stundenkilometern durch den letzten Richtungswechsel, der von einem leichten Ruck des Schulterbügels auf die Köpfe der Passagiere begleitet wird. Im Blickfeld der Mitfahrer baut sich die Bremsstrecke auf, doch bevor diese vom Zug erreicht wird, hebt es noch einmal alle aus den Sitzen. Der Clou: Die Bremssektion liegt etwa zwei Meter oberhalb der vorgeschalteten Kurvenausfahrt, der leichte, auf kurzer Länge platzierte Schienenanstieg generiert eine fantastische Floating Airtime. Dann greifen die fünf Bremssegmente der mechanischen Reduzierbremse und bringen den Zug sanft auf Schrittgeschwindigkeit.

Daemonens Fahrerlebnis ist trotz der Kürze der Fahrt äußerst abwechslungsreich und zeigt sich stellenweise deutlich innovativer als die hintereinandergeschalteten Inversionen manch größerer Sit-Down- oder Floorless-Coaster der Schweizer. Trotzdem reizt der Adrenalinkick nicht die absoluten Grenzen des Machbaren aus und ist deshalb für eine breite Besuchergruppe fahrbar. Zudem wird den Besuchern, die nicht am Erlebnis Daemonen teilnehmen wollen, ein außergewöhnliches Spektakel geboten: Erst gleitet der Zug in 20 Metern Höhe in einer Schleife über ihre Köpfe, donnert dann in hohem Tempo an ihnen vorbei den First Drop hinunter und rast später knapp über Kopfhöhe pfeilschnell durch eine S-Kurve. Man kann förmlich die ausgestreckten Hände der Mitfahrer greifen - Wer möchte da nicht einsteigen und losfahren!

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